Dienstag, 5. Januar 2016

Die liquide Macht – Krieg ohne Feuer


Es ist dunkel, es ist riesig, es umzingelt uns. Alles, was sich ihm in den Weg stellt, wird gnadenlos vernichtet. Regelmäßig fordert es neue Opfer durch Zerstörung und Tod.

Zugegeben, diese Assoziationen stehen vermutlich nicht an erster Stelle, wenn über das Meer nachgedacht wird. Wahrscheinlich erinnern Sie sich an Ihren letzten Strandurlaub, in dem Sie beim Meeresrauschen gemütlich eingenickt sind und sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen einen ordentlichen Sonnenbrand zuzogen. Vielleicht haben Sie sich auch bei dem Bau einer Sandburg verkünstelt oder sind gar waghalsig auf ein Surfbrett gestiegen. Wie auch immer Ihre Urlaubsplanung aussah, die Anziehungskraft des Meeres auf den Menschen ist seit jeher enorm. 
Diente es den einen als Nahrungsquelle, war es für Abenteuerlustige der ideale Ausgangspunkt für Reiseunternehmungen. Für Künstler war und ist das Meer eine unschätzbare Quelle der Inspiration. Wissenschaftler erforschen die einzigartige Flora und Fauna, die besonders Neugierigen unter ihnen suchen nach Atlantis. Auch Filmemacher haben das Meer als alternativen Handlungsraum erschlossen: Ob Geschichten eines quirligen Schwammkopfs in der Unterwasserwelt, dramatischer Überlebenskampf auf offener See oder Romanze auf einem Traumschiff, die Bandbreite ist groß. Der malerische Anblick des Meeres zieht gleichermaßen Mönche, Yoga-Fans und Fotografen des Playboy an. Ja, selbst Piraten scheinen in den letzten Jahren das Meer neu für sich entdeckt und Arbeitsplätze aufgestockt zu haben.

Dass das Meer nicht nur interessant und nützlich, sondern ebenfalls gefährlich sein kann, ist hinlänglich bekannt. Auch ohne auf Piraten zu treffen, musste so mancher Seefahrer sein Leben lassen. Während dem einen der betörende Gesang der Sirenen zum Verhängnis wurde, scheiterten andere an der Unberechenbarkeit des Meeres. Nicht zu vergessen sind die Haie, die ahnungslose Touristen hin und wieder mit einem Snack verwechseln.
In letzter Zeit, so scheint es, ist das Meer besonders angriffslustig. In immer kürzer werdenden Abständen schickt es Überschwemmungen und Sturmfluten, die den menschlichen Lebensraum zerstören. Sie kommen aus dem Nichts, sind trotz moderner Technik nicht abzuwenden und treffen vollkommen Unschuldige. Aber sind wir wirklich so unschuldig?

Einzeln betrachtet vielleicht schon, insgesamt ist die Menschheit an den „neuesten Launen“ des Meeres jedoch alles andere als unbeteiligt. Um genau zu sein, haben wir den Krieg erklärt und stecken mitten drin.
Der Klimawandel, zu dem wir einen erheblichen Teil beitragen, lässt die Polkappen schmelzen und den Meeresspiegel steigen. Die erhöhte Temperatur bedroht das Leben der Meeresbewohner, die (aus-)sterben, sollten sie nicht schnell genug abwandern oder sich anpassen. Der Fischfang wurde dermaßen industrialisiert, dass unsere Meere heillos überfischt sind. Doch damit nicht genug: Als ob die Ölverschmutzung allein nicht ausreichen würde, haben wir das Meer zu allem Übel auch noch zur Müllkippe auserkoren. Vor allem Plastik landet dort in derart großen Mengen, dass Die Welt auf diese Problematik mit dem Titel „Der achte Kontinent besteht aus Müll“ hinwies. Der Müll sieht nicht nur unschön aus, er ist für die Meeresbewohner gefährlich bis tödlich: Sie verfangen sich darin oder verwechseln ihn mit Nahrung, so dass sie mit zugemülltem Magen verhungern.
Wir fordern das facettenreiche, lebenspendende und faszinierende Meer heraus, indem wir es quälen.

Obwohl wir bedauerlicherweise viel Erfahrung mit Krieg und dem Anzetteln eines solchen besitzen, ist die Kriegsplanung in diesem Fall denkbar schlecht. Während normalerweise der Gegner bis ins kleinste Detail analysiert und sowohl Chancen als auch Folgen abgeschätzt werden, wurde dies beim Meer völlig vernachlässigt.
Die Minderheit, die sich für den Schutz des Meeres und ein Leben im Einklang mit der Natur einsetzt, kommt selten zu Wort und wird als eine realitätsferne Gruppe abgetan, die zur Dramatik neigt und zu wenig Kontakt mit Menschen pflegt. Wie verheerend unser Verhalten ist, zeigt sich schon jetzt – denn das Meer schlägt zurück.

Mächtig wie es ist, kommt es ganz ohne Feuerwaffen und Tritons Dreizack aus. Neben effektvollen Unwetterkatastrophen, die viele Menschenopfer kosten, nimmt das Meer kontinuierlich Land ein. Der Boden, auf dem Venedig steht, sinkt beispielsweise stetig ab. Während das Wasser steigt, geht die Stadt der Liebe unter – und wir müssen hilflos zusehen.
Die wohl beste und raffinierteste Waffe hat sich das Meer von den Menschen abgeschaut. Sie beschert uns Krankheit und einen langsamen Tod durch Vergiftung. Teile des Plastiks, das wir so gern im Meer versenken, werden von den Tieren mit der Nahrung aufgenommen. Da wir diese Meerestiere essen, landen die am Plastik angelagerten giftigen und krebsverursachenden Stoffe am Ende auf unseren eigenen Speisetellern. Wohl bekomm's!

Wir haben uns einen Gegner ausgesucht, gegen den wir trotz aller Technologien machtlos sind. Wenn wir nicht möchten, dass sich das Meer als Quell des Lebens in eine Todesfalle für uns verwandelt, ist es höchste Zeit, umzudenken. Vielleicht sollten wir der „realitätsfernen Minderheit“ doch einmal genauer zuhören und beim nächsten Strandurlaub über ihre Worte nachdenken. Letztendlich sollte uns allen daran gelegen sein, dass sich die Wogen wieder glätten – denn wer weiß, ob das mit Noahs Arche noch einmal funktioniert.

Dienstag, 29. April 2014

Menschen – viel Lärm um nichts?



Während wir Menschen auf der Erde wandeln, machen wir ganz schön viel Lärm. Ginge es nach dem Willen der Götter Vorderasiens, wäre uns dies schon längst zum Verhängnis geworden; den Mythen zur Folge reagieren Himmelsbewohner auf Ruhestörung nämlich alles andere als entspannt. Zeitweise fiel der Menschenlärm einigen Göttern sogar dermaßen auf die Nerven, dass sie kurzerhand Pläne schmiedeten, um die gesamte Menschheit auszulöschen.

Was soll man sagen – es hat nicht geklappt. Wir sind noch da, putzmunter und machen ordentlich Lärm. Aber brauchen wir eigentlich Götter, um vernichtet zu werden?

Meine Schwester sagte einmal zu mir: „Ach weißt Du, die Menschen taugen zu nichts! Es ist doch immer wieder dasselbe: Sie schließen sich zusammen, haben tolle Ideen und machen sich damit das Leben angenehmer, verfallen dann dem Größenwahn und rotten sich gegenseitig aus.“ Der Beweis für diesen scheinbar universellen Lebensstil, so Schwesterherz, kann an archäologischen Funden bewundert werden.


Unverbesserlich?

Kein besonders positives Bild von uns Menschen. Ganz von der Hand zu weisen scheint es allerdings auch nicht zu sein...
Wir lassen unsere Artgenossen für einen Hungerlohn unter lebensbedrohlichen Bedingungen schuften, nur damit wir uns glitzernde Ringe an den Finger stecken können. Wenn wir nicht gerade unser Trinkwasser vergiften oder an der Vergrößerung des Ozonlochs arbeiten, holzen wir fleißig den Regenwald ab. Betrug, Erpressung und Kriege sind an der Tagesordnung. Ein besonders beliebtes Hobby scheint Grenzen ziehen und wieder kaputt machen zu sein. Wie gut gemeint Ideen ursprünglich auch sein mögen, es findet sich immer jemand, der sie durch die eigene Boshaftigkeit oder Gier ruiniert.

Seien wir mal ehrlich – ganz knusper sind wir nicht. Über die Zeit betrachtet könnte man sogar zu dem Schluss kommen, Gandhi hätte mit folgendem Zitat recht: „Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“ Aber ist das wirklich schon alles?



Ein Hoffnungsschimmer

Der gleiche Ghandi sagte auch: „Where there is love, there is life“. Ich finde dies einen Punkt, auf den es sich lohnt zu konzentrieren. Klar, Irrwege ziehen uns magisch an und letztendlich endet es immer im Chaos, aber auf dem Weg dorthin ist so viel Leben, Liebe und Leidenschaft zu finden!

Wir verbringen unzählige Stunden damit, von Musik ergriffen zu tanzen, zu klatschen und zu stampfen. Unermüdlich schubsen wir Bälle von einer Rasenseite zur anderen und werden dafür auch noch in großen Stadien bejubelt.
Ingenieure konstruieren gigantische Achterbahnen, damit wir uns im Geschwindigkeitsrausch vergnügt die Seele aus dem Leib schreien können. Philosophen verlieren sich in hitzigen Diskussion darüber, was mit einem Fuß passiert, würde er ins Nichts treten. Und während sich Mathematiker leidenschaftlich der Frage widmen, wie Kugeln am effektivsten gestapelt werden können, jagen neugierige Physiker am CERN Teilchen durch riesige Rohrsysteme.
Es werden wundervolle Bücher geschrieben, berührende Bilder gemalt und aufregende Filme gedreht.

Täglich versuchen wir, unseren Ideen Ausdruck zu verleihen und gestalten die Welt. Unabhängig davon, ob diese Einfälle Bestand haben – wir sind mit Leidenschaft dabei.
Zwischen all den Gräueltaten und dem Unsinn, den wir verzapfen, finden sich immer wieder Hoffnungsschimmer und zauberhafte Geschichten. Es wäre zu schade, diese zu übersehen!


Happy End?

Auch der Ethnologe Claude Lévi-Strauss, der sich sein Leben lang mit Menschen in verschiedenen Gesellschaften beschäftigte, stellte fest: Wir können es einfach nicht lassen – egal wo, unermüdlich versuchen wir, Kultur zu schaffen. Und was hat er aus all seinen Reisen und Forschungen gelernt?
Die Welt hat ohne den Menschen begonnen und sie wird ohne ihn enden, so sein ernüchterndes Fazit. Eigentlich machen wir viel Lärm um nichts.
Vermutlich hat er recht.  Aber dennoch: Der Teil zwischen dem Anfang und dem Ende ist unheimlich aufregend!